Text und Fotos: Michael Melcher
Die südliche Ostsee ist für Wracktaucher ein interessantes Revier. Wracks wie der kleine geschützte Kreuzer Undine, Jan Heweliusz oder Fu Shan Hai gehören zu den Highlights dieses Seegebietes. Leider wurden viele deutsche Vollcharterschiffe verkauft, so dass hier inzwischen polnische und schwedische Anbieter dominieren. Patrik Juhlin aus Ystad in Südschweden www.pdyk.se, ist mit seinen Boot M/S Baltic Explorer ein aktiver und wie sich herausgestellt hat, sehr kompetenter Anbieter von Liveaboard Tauchtrips. Unser Plan: eine Viertagestour Ende Oktober bis Anfang November 2014 mit dem Ziel der Fu Shan Hai und umliegenden Wracks.
Mittwoch
Zu sechst, bestehend aus drei Tauchteams (OC, CCR, und PSCR), reisten wir auf unterschiedlichen Wegen am Mittwoch, dem 29. Oktober nach Ystad. Während Rainer und Wolfgang über den Landweg (Storebaelt / Öresundbrücke) kamen, reisten Jörn und Rocco via Vogelfluglinie / Öresundbrücke. Basti und ich nahmen die Fähre Rostock – Trelleborg, was sich als die günstigste und bequemste Anreise herausstellte. Bis 21:00 Uhr trafen alle am Boot ein. Wir beluden die Baltic Explorer mit 6 Doppelgeräten, 4 Rebreathern, mindestens 30 Stages, dem üblichen Kleinkram und mindestens doppelt so viel Proviant wie nötig. Trotzdem es langsam eng wurde, war die volle Kapazität des Bootes noch nicht erschöpft. Anschließend wurde der Schlachtplan für den nächsten Tag besprochen.
Donnerstag
Während wir noch schliefen setzte sich unser Skipper Patrik am Donnerstagmorgen um 5.00 Uhr ans Steuer und nahm Kurs auf Bornholm. Nach etwa 6 Stunden Fahrt erreichten wir das Wrack SS Colberg, einige Seemeilen südöstlich von Rönne. Obwohl wir vorrangig die Fu auf dem Programm hatten, machten wir diesen Abstecher auf Anraten unseres Captains, da es sich hierbei um ein erst kürzlich gefundenes und selten betauchtes Wrack in nur 48 m Tiefe handelt. Dies bestätigte die Menge an Details wie Messinglaternen und andere Kleinteile, die offen auf dem Oberdeck lagen. Die Aufbauten des Vor- und Mittschiffs standen noch, allerdings waren einige tragende Balken bereits stark durchgebogen und ließen auf ein baldiges Kollabieren dieses Bereichs schließen.
Gegen 15.00 Uhr nahmen wir Kurs auf das Hauptziel dieser Tour, dem Wrack der Fu Shan Hai. Die Sonne war bereits untergegangen, als die Fu deutlich erkennbar auf unserem Sidescan Sonar auftauchte und wir mit unseren Tauchgangsvorbreitungen begannen. Ruhige See und wenig Strömung waren optimale Bedingungen für den Beginn eines Nachttauchgangs an diesem riesigen Bulker, der Anfang Juni 2003 nach einer Kollision mit der Gdynia gesunken ist. Als Ziel dieses ersten Tauchgangs wollten wir uns einen groben Überblick über den Heckaufbau verschaffen und mögliche Penetrationsstellen für weitere Tauchgänge finden.
Bei Erreichen der Brückennock, kontrollierten wir den Anker und setzten eine feste Oberflächenboje an der Reeling, die am Wrack verblieb. Wir ließen uns weiter bis auf 51 m auf das Oberdeck fallen, wobei erstaunlicherweise die Temperatur in der Tiefe wieder zunahm. Anschließend umtauchten wir den Brückenaufbau und schauten in die Schotts der einzelnen Decks. In einigen Gängen waren bereits die Decken- und Wandverkleidungen herabgefallen und erschwerten den Zugang. Andere Eingänge waren komplett frei und die dahinterliegenden Gänge luden zu einem Besuch ins Wrackinnere ein, was wir uns für den nächsten Tag vornahmen. Die folgende Nacht blieben wir über dem Wrack vor Anker liegen.
Freitag
Am Freitagmorgen folgte dann der zweite Tauchgag zur Fu. Dieses Mal ließen wir uns gezielt bis zur Schraube auf 65 m fallen und stiegen anschließend bis zum Oberdeck auf. Von der Steuerbordseite tauchten wir in den untersten Bereich der Heckaufbauten. Das auf dem Deckplan eingezeichnete „Gymnasium“ vermuteten wir als Kraftraum und erhofften einen Blick auf Hanteln o. ä. Leider war die Tür verschlossen. Dafür bekamen wir die Waschmaschinen der Wäscherei und einige Spinte mit Ölzeug zu sehen.
Im Anschluss nahmen wir uns zwei Stockwerke darüber das B-Deck auf ca. 40 m vor. Dieses Mal penetrierten wir den backbordseitigen Zugang und bogen direkt rechts in Messe ab. Unser Weg führte durch den Raum über gut erhaltenes Gestühl, worauf noch eine Videokassette und Geschirr lag, bis an die heckseitige Außenwand. Neben Blumen in einer Fensterbank hingen hier noch eine um 7:58 Uhr stehengebliebene Uhr sowie verschiedene Modelle von Fliegenklatschen.
Im Anschluss betauchten wir die Kombüse, zwei Türen weiter in Richtung Steuerbord. Eine große Teigknetmaschine, mehrere Herde und jede Menge Details waren darin in erstaunlich gutem Zustand zu erkennen. Die nächste Tür des Hauptganges führte uns ins Treppenhaus. Hierüber hätten wir Zugang zu den anderen Decks finden können, jedoch wollten wir unsere abgesprochene maximale Grundzeit von 3,5 Stunden nicht überschreiten und beendeten die Penetration an dieser Stelle. Es folgte eine Dekompression bei angenehmen 12 °C, wenig Strömung und leichtem Seegang. Nachdem alle Teams aus dem Wasser waren, holten wir den Anker ein und nahmen Kurs auf Sandvig, Bornholm. Eigentlich waren weitere Tauchgänge an der Fu geplant, allerdings war für den Nachmittag des folgenden Tages schwerer Seegang aus Südwest angekündigt, was uns den Rückweg nach Ystad erschwert hätte. Daher entschieden wir uns für einen frühen Aufbruch zum Wrack des kleinen geschützten Kreuzers Undine, um von dort nachmittags mit der Welle zurück nach Ystad zu reiten.
Samstag
Am nächsten Morgen um 4:00 Uhr legten wir auf Bornholm ab und Patrik nahm Kurs auf das Wrack des Kleinen Kreuzers SMS Undine, der im November 1915 nach Torpedobeschuss durch ein britischen U-Boote versenkt wurde.
Sieben Stunden später erreichten wir die Wrackposition. Nach dem Setzen des Ankers stellte sich das Boot mit der Backbordseite zu den Wellen, was auf eine sehr starke Oberflächenströmung schließen ließ. Unser Captain setzte für uns eine Granny Line, woran wir uns in ca. 6 m Tiefe vom Heck des Bootes zum Ankerseil ziehen sollten, um die vermeintliche Oberflächenströmung zu umgehen. Wie sich beim Abtauchen allerdings herausstellte, zog sich die Strömung durch alle Wassertiefen. Wir brauchten 15 Minuten, um uns mit den Händen am Ankerseil zur Oberkante des Wracks auf 42 m zu ziehen. Erst im Strömungsschatten der Undine konnten wir das Seil verlassen und uns mit den Flossen fortbewegen.
Wir schwammen das Wrack in seiner gesamten Länge von 105 m ab. Besonders beeindruckend waren die zahlreichen (insgesamt 10) 10,5 cm Kanonen sowie der Rammsporn am Bug. In den Trümmern des teilweise herausgebrochenen Oberdecks wurden viele Details sichtbar. Leider befand sich exakt in dieser Wassertiefe ein Sprungschicht, die zu Haloklinen führte, wodurch Vieles erst auf den zweiten Blick zu erkennen war. Nachdem wir unsere Grundzeit beendet hatten folgte eine interessante Dekompression. Der Weg nach oben führte wieder aus dem ruhigen Strömungsschatten des Wracks heraus und wir wehten am Ankerseil wie die Fahnen im Wind. Zudem hatte der Seegang zugenommen, was sich durch ein ruckartiges Auf und Ab des Seils, besonders auf den flachen Dekostopps bemerkbar machte. Mit Jon Lines am Aufstiegseil fixiert hingen wir unsere Dekostopps ab und beendeten nach 160 min den Tauchgang. Die ursprünglich geplante Übernachtung über der Undine fiel wegen ungünstiger Wetterbedingungen aus und wir nahmen Kurs zurück auf Ystad, wo wir die folgende Nacht im Hafen verbrachten.
Sonntag
Da einige aus unserem Team am Nachmittag abreisen mussten, war für Sonntag ein Tauchgang am Wrack der SS Pan, nur etwa vier Seemeilen vor Ystad, geplant. Dabei handelte es sich um ein mit Korn beladenes Dampfschiff, das im Jahr 1895 gesunken ist und heute in einer Tiefe von 20 m liegt. Das etwa 70 m lange Wrack ist zum größten Teil zerfallen, nur Bug und Heck sowie mittschiffs die Maschine sind noch halbwegs erhalten.
Das auf den ersten Blick unattraktive Wrack zeigte sich bei genauerem Hinsehen als eine Fundgrube zahlreicher gut erhaltener Details. Wir nahmen uns viel Zeit und beleuchteten verborgene Winkel zwischen Planken und Gebälk, wobei wir auf Artefakte wie Flaschen, Blöcke, Schrauben oder ein Bullauge stießen. Schnell vergingen so zwei Stunden Grundzeit und wir kehrten nach einer kurzen Dekompression zurück an Bord unseres Tauchschiffs.
Die Bilanz für unsere viertägige Ostsee Tour hätte nicht besser ausfallen können. Die Baltic Explorer ist ein voll ausgestattetes Liveabord Tauchschiff, womit wir auch bei ungünstigen Bedingungen sichere Tauchgänge durchführen konnten. Unser Skipper Patrik macht einen ausgezeichneten Job. Langstreckenfahrten zu nächtlicher Stunde sowie schnelle, präzise Ankermanöver sind für ihn kein Problem. Das Handling schwerer Ausrüstung, lange Runtimes und andere Besonderheiten des Technischen Tauchens kennt er als ehemaliger Instruktor und aktiver Wracktaucher aus eigner Erfahrung.
Wir werden wiederkommen.
Bewegte Bilder zur Tour. Ein Video von Jörn Kumpart: